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Bio-Kunststoffe U.Richter

Kunststoffe werden heute überwiegend aus Erdöl hergestellt, mit einem dauerhaft günstigen Ölpreis auf dem Niveau der 1990er Jahre ist in Zukunft nicht mehr zu rechnen. Wir konsumieren unsere petrochemischen Ressourcen schneller als sie sich regenerieren. Vor allem der weltweit steigende Energie- und Rohstoffbedarf sowie politische Instabilität in den Förderländern haben den Preis für Rohöl in den letzten Jahren stark ansteigen lassen. Im Bereich der Energie haben wir deshalb eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Wir haben das Problem auch im Werkstoffbereich. Auch dort können wir auf lange Sicht nur auf Dinge zurückgreifen, die regenerierbar sind. Vor diesem Hintergrund ist eine Zunahme des bisher geringen Marktanteils für Biokunststoffe abzusehen.
Biokunststoffe oder auch Bioplastik werden Kunststoffe bezeichnet, die auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden. Aussagen über die Potenziale von Biokunststoffen sind stark davon abhängig, ob es gelingt, mit positiven Rahmenbedingungen das Interesse der Kunststoff erzeugenden Industrie an Biokunststoffen verstärkt zu wecken.
Als Ausgangsstoffe für Biokunststoffe dienen aktuell vor allem Stärke und Cellulose. Mögliche Ausgangspflanzen sind stärkehaltige Pflanzen wie Mais, Kartoffeln, Zuckerrohr oder Zuckerrüben, Maniok sowie Hölzer, aus denen Stärke und Cellulose gewonnen werden können. Auch Getreideproteine und Pflanzenöle, Hanf und sogar Ethanol aus Algen kommen für die Herstellung von Biokunststoffen in Frage. Abhängig von ihrer Zusammensetzung, dem Herstellungsverfahren und Beimischung von Zusatzstoffen (es sind leider noch Stoffe auf Mineralölbasis) ändern sich Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmefestigkeit und chemische Beständigkeit.
Biokunststoffe dienen entsprechend ihrer Abbaueigenschaften vor allem als Material für Verpackungen, Produkte für den Garten- und Landschaftsbau, Windeln, bunte Maischips zum Basteln, Abfallbeutel, Cateringprodukte, Materialien für den medizinischen Bereich und andere kurzlebige Produkte.

Auf dem internationalen Kunststoffmarkt haben Biokunststoffe derzeit einen verhältnismäßig geringen Stellenwert, der sich Prognosen zufolge jedoch in den nächsten Jahren durch neu zu erschließende Produktfelder, Vorschriften und Ressourcenknappheit erhöhen wird. Bisher stehen dem Biokunststoff noch zwei Faktoren auf dem Weg zum Massenprodukt im Weg. So sind z. B. die Bioverpackungen im Vergleich zum herkömmlichen Kunststoff in der Regel noch um ein Vielfaches teurer. Die Produktionsmengen sind noch zu gering, so dass es noch keinen geschlossenen Kreislauf gibt, d. h. sie sollten im Idealfall den kompletten Lebenszyklus des Werkstoffs umfassen, von der Produktion der Bio-Masse auf dem Acker bis hin zur Entsorgung der ausgedienten Produkte. Noch werden die meisten PLA-Bio-Kunststoffe (auf Milchsäure basierte Bio-Kunststoffe) im gelben Sack entsorgt, da die Sortieranlagen sie noch nicht als Bio erfassen.
Bio-Kunststoffe verrotten in freier Natur, sie sind kompostierbar, (ungefähr 2 Wochen bis 2 Jahre) während konventioneller Kunststoff in der Kompostierung etwa 450 Jahre braucht. (Weltmeerverschmutzung, zwischen Hawaii und Kalifornien ein Müllteppich von der Größe Zentraleuropas)
Fachleute sind sich nicht einig ob die Entsorgung über den Kompost sinnvoll ist. Prof. Hans-Josef Endres, Leiter des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundstoffe der Hochschule Hannover meint: „Wenn wir weltweit alle Kunststoffe durch Bio-Kunststoffe ersetzen würden, brauchen wir fünf Prozent der weltweiten Agrarfläche. Basis der Berechnungen sind die Flächenerträge der heute bekannten Bio-Kunststoffe. Wir müssen in Zukunft dazu kommen, unsere z.B. aus Zellulose, aus Stärke, aus Bio-Ethanol gewonnenen Bio-Kunststoffe auch zu verbrennen. Das ist deutlich effizienter, als das Ethanol direkt zu verbrennen, den Mais direkt in die Bio-Gas-Anlage zufahren. Ich kann einen biobasierten Kunststoff als weitere Nutzung dazwischen schieben und ihn dann am Ende energetisch entsorgen. Das spart fossile oder biobasierte Energieträger. Unter dem Strich benötige ich damit weniger Fläche. Die Kompostierung als reine Entsorgung ohne weiteren Nutzen ist ein Irrweg.“
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (Nawaro) gibt an, dass Biokunststoffe mengenmäßig nur 0,03 (2010)bis 0,05 (2015) des Gesamtmarktes an Kunststoffen ausmachen. Für den globalen Bio-Kunststoffmarkt wird bis 2018 eine durchschnittliche Wachstumsrate von jährlich 17,8% erwartet.
Bio-Kunststoff Produkte sind den Kunststoffen auf fossiler Basis überlegen. Zum Beispiel im Bereich Klimawandel: Aus Pflanzen gewonnene Kunststoffe setzen nach ihrem Gebrauch nur so viel CO2 frei, das die Pflanzen während ihrer Wachstumsphase aus der Atmosphäre entnommen haben. Nach Abzug der bei Transport und Herstellungsprozess benötigten Energie werden sie als CO2-neutral eingestuft. Gegenüber den konventionellen Kunststoffen reduziert sich der CO2-Ausstoß z. B. beim Verpackungsmaterial um bis zu 70 %. Nachteile sind im Moment noch Versauerung, Überdüngung, Naturraumbeanspruchung und Feinstaubemission.
Weltweit geht der Trend zu mehr Kunststoffen, zumal wenn Indien und China den gleichen Bedarf wie in Europa haben. Die Rohstoffbasis wird zwangsläufig zum Bio-Masse-Kunststoff wechseln müssen. Dazu gibt es langfristig keine Alternative.
Intensiv geforscht wird in dem Bio-Kunststoff-Sektor erst seit wenigen Jahren im Vergleich zur erdölbasierten Kunststoffforschung. Fachleute meinen, es ist wichtig Erfahrungen jetzt zu machen als dann erst, wenn kein Erdöl mehr zur Verfügung steht.
Beispiele für Verpackungen:
Neben einfach aufgeschäumten duroplastischen Verpackungschips auf Stärkebasis gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Verpackungen aus Biokunststoffen. Denn technisch ist fast alles möglich: Biokunststoffe lassen sich als Folien oder Mehrschichtfolien blasen, als Flachfolie extrudieren, sie sind thermoverform- und tiefziehbar, bedruck-, schweiß-, spritz- sowie verklebbar und können mit den gängigen Kunststofftechniken zu Verpackungen konfektioniert werden. Kurzum: Verpackungsmittelhersteller und Abpacker können Biokunststoffe auf fast allen herkömmlichen Maschinen ohne Probleme verarbeiten. Etablierte Verpackungsanwendungen von Biokunststoffen sind Tragetaschen, Schalen für Pralinen, Obst, Gemüse, Fleisch und Eier, Becher für Molkereiprodukte, Flaschen, Netze oder Beutel für Obst und Gemüse. Auch Blisterverpackungen, bei denen sich die Folie dem verpackten Produkt direkt anschmiegt, sind möglich. Für den Kosmetikbedarf gibt es Dosen oder Tuben. Packstoffe aus Biokunststoffen mit Sperrwirkung, Aromadichte und guter Maschinengängigkeit sind verfügbar und werden permanent weiterentwickelt.
Beschichtungen von Papier- und Kartonverbunden mit Biokunststoffen führen zu neuen Verpackungen mit guten Gebrauchseigenschaften. In den USA wurde bereits eine Mineralwasserflasche aus dem Biokunststoff PLA im Markt eingeführt. Während ein Großteil der Bioverpackungen auf dem Markt noch ein Nischendasein führt, haben kompostierbare Säcke und Beutel zum Sammeln von Biomüll bereits einen führenden Marktanteil.
Rückblick
Biokunststoffe waren die frühesten Massenkunststoffe, die industriell hergestellt wurden. Bereits im Jahr 1869 eröffneten die Gebrüder Hyatt die erste Fabrik zur Herstellung von Celluloid einem thermoplastischen Kunststoff auf der Basis von Cellulose. John Wesley Hyatt erfand das Celluloid im Rahmen eines Preisausschreibens, bei dem eine preiswerte Alternative für das in Billardkugeln verwendete Elfenbein gefunden werden sollte. In der Folge wurde Celluloid für eine Reihe weiterer Verwendungen, vor allem für Filme, Brillenfassungen, Spielzeug, (z.B. die Schildkröt-Puppe). Kämme und Tischtennisbälle eingesetzt; aufgrund seiner schnellen Entflammbarkeit wurde es allerdings rasch wieder verdrängt.

Im Jahr 1923 startete die Massenproduktion von Zellglas, „Cellophan“, welches ebenfalls auf Cellulosebasis entstand und bis heute vor allem für Verpackungen sowie als Einsatz in Briefumschlägen genutzt wird. Es wurde vor allem für die Herstellung von transparenten Folien eingesetzt, wobei die Kosten für die Herstellung im Vergleich zu späteren Konkurrenten sehr hoch waren und Zellglas somit in vielen Bereichen verdrängt wurde. Aufgrund seiner Wasserempfindlichkeit wird Zellglas allerdings mit Polyvinylidenchlorid beschichtet und ist damit nicht mehr biologisch abbaubar.
Durch die Entdeckung von Kunststoffen auf der Basis von Mineralölen entstand schnell eine Konkurrenz, bei der die ersten Biokunststoffe weitestgehend verdrängt wurden. Die Forschungen in der organischen Chemie führten zur Entdeckung von Bakelite (1907), Acrylglas (besser bekannt als Plexiglas, 1930), dann Nylon, Perlon, Polystyrol und Teflon (1930 – 1950). Schließlich gelang ab 1956 die großtechnische Herstellung der heutigen Standardkunststoffe Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP).
Erst nach 1980 gab es wieder Innovationen im Bereich der Biokunststoffe, die vor allem auf ein verändertes ökologisches Bewusstsein zurückzuführen sind. Aktuell wird die Entwicklung der Biokunststoffe vor allem auf der Basis der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung vorangetrieben. (Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann.)
U.Richter
Label für kompostierbare Verpackungen

 
Grundlage für den Bericht und mehr Info gibt es bei:
Öko-Test 6/2012,
MUM Markt & Medien 04/2012
www.wikipedia.de
www.biowerkstoffe.info