Camille Claudel (1864-1943) – ein tragisches Schicksal
Geboren wurde sie am 08. Dezember 1864 in Fère-en-Tardenois (Champagne) in einer bürgerlichen Familie: der Vater Louis-Prosper ist Rentmeister (Finanzbeamter), die Mutter Louise Athanaise ist vermögend. Camilles Schwester Louise wird 1866, Bruder Paul 1868 geboren. Zu Vater und Bruder besteht lebenslang eine emotionale Beziehung. Camille besuchte 6 Jahre eine Klosterschule, erhielt danach wohl keine weitere Ausbildung. Das familiäre Umfeld war eher düster, mit cholerischen Wutausbrüchen des Vaters und kaum mütterlicher Zärtlichkeit. Der Vater unterstützte jedoch die künstlerische Neigung der Tochter, die sich bei ihr schon im Alter von 12 (!) Jahren bemerkbar machte.
Er meldete sie für die „Académie Colarossi“ in Paris an. Damit war er ausgesprochen fortschrittlich, denn noch Ende des 19. Jahrhunderts war für Frauen die Bildhauerkunst nicht vorgesehen: zum einen wegen der schweren körperlichen Arbeit, zum anderen wegen des künstlerischen Umgangs mit „nackten“ Personen! In der Académie lehrte der Bildhauer Albert Boucher. Er war ein Nachbar der Familie und wurde der „Entdecker“ und Förderer von Camille. Im Jahr 1883 sprang Auguste Rodin ersatzweise als Lehrer in der Académie ein, da Boucher sich auf einer längeren Auslandsreise befand.
Im Alter von 19 Jahren wurde Camille Claudel im Atelier von Rodin angestellt. Dort wurde sie zunächst sein Modell, dann seine Assistentin, Muse und Geliebte – und das bei einem Altersunterschied von 24 Jahren! Die jugendliche Camille hat den zunächst noch nicht so bekannten Künstler Auguste Rodin angehimmelt. Rodin seinerseits war fasziniert von ihrer frühen künstlerischen Reife und jugendlichen Schönheit. Ihre künstlerische Zusammenarbeit wurde so intensiv, dass teilweise mit vier Händen an einer Skulptur gearbeitet wurde. Vermutlich waren mehr Arbeiten als bekannt, das Werk von Camille und nicht von Rodin.
Camille porträtierte anfänglich vor allem die Mitglieder ihrer Familie. Bekannte Werke von ihr sind: 1888 „Sacuntala“, 1894 „Die Schwätzerinnen“ – diese Skulptur wird als ihr stärkstes Werk beurteilt -, 1895 „Das reife Alter“,1898 „Die Welle“, 1905 „Der Walzer“ und „Die Flehende“. Ihre Skulpturen zeichnen sich durch einen persönlich geprägten Naturalismus aus. Sie gibt den Figuren zusätzlich symbolischen Gehalt und beschäftigt sich eingehend mit den Themen Erotik („Sacuntala“) und Familie („Paul Claudel“), aber auch Alter und Tod („Clotho“, „Das reife Alter“). Mich persönlich beeindruckt besonders das Spätwerk „Die Flehende“, Ausdruck ihrer eigenen Situation?
Im Alter von 30 Jahren trennt Camille Beruf und Alltag von ihrem Lehrmeister Rodin. Nach der Trennung gelingt es ihr aber nicht, als Künstlerin auch finanziell erfolgreich zu sein, Wettbewerbe zu gewinnen oder Aufträge für öffentliche Skulpturen zu bekommen. Die finanzielle und emotionale Krise führt zum körperlich-seelischen Zusammenbruch, verbunden mit Wahnvorstellungen, die sich besonders gegen Rodin, aber auch gegen ihre eigene Familie richten. Die Bildhauerin entwickelt immer mehr paranoide Züge, leidet unter Verfolgungswahn. Nicht nur ihre künstlerische Schaffenskraft ist gebrochen, Camille zerstört auch jeden Sommer systematisch ihre eigenen Werke – so ihr Freund Henri Asselin.
Mit dem Tod des Vaters 1913 verschwindet die wichtigste Stütze in ihrem Leben und unmittelbar danach weisen Mutter und Schwester die Kranke in ein psychiatrisches „Asyl“ ein. Dort isoliert man sie und verurteilt sie damit für dreißig Jahre zu völliger Untätigkeit. Im Jahr 1920 hätte Camille die Anstalt verlassen können, was die Mutter jedoch ablehnte. Die letzten Jahre ihres Lebens – ein grausames Dahinvegetieren in einer psychiatrischen Anstalt bei Avignon, wo sie 1943 verstarb.
2019 schreibt der „Stern“:
„Die letzten im Familienbesitz befindlichen Arbeiten der Bildhauerin Camille Claudel sind im November in Paris versteigert worden. Allein die Bronzeskulptur „L’Abandon“ (Die Hingabe, 1886), eines der Hauptwerke Claudels, kam für 1,2 Millionen Euro unter den Hammer.“
https://www.stern.de/kultur/camille-claudel–bildhauerin–malerin-und-geliebte-von-rodin-7765036
Autorin: Barbara Heinze, 12.12.2023
Quellen:
Reine-Marie Paris: Camille Claudel (1864-1943), Fischer Verlag, 9. Auflage März 2007
https://de.wikipedia.org/wiki/Camille_Claudel
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/camille-claudel/
https://en.wikipedia.org/wiki/Camille_Claudel
Museen:
Musee Camille Claudel (2017 eröffnet) https://www.aube-champagne.com/de/poi/musee-camille-claudel/
Musee Rodin mit Brief von Camille an Rodin: https://www.musee-rodin.fr/musee/collections/oeuvres/lettre-de-camille-claudel-auguste-rodin
Bilder:
Foto von Camille Claudel, 1884. Author: César – www.camilleclaudel.asso.fr, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=502278
Foto von Camille Claudel im Atelier, im Hintergrund Jessie Lipscomb – Von William Elborne. Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17189079
La Valse (1889) By Camille Claudel – http://lanphere.zenfolio.com/p386364173/h1a373efb#h1a373efbPhotograph created by Scott Lanphere, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30422758
Confidence – Camille Claudel. By Rama – Own work, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=88083164
Camille Claudel: „L’Implorante“ – „Die Flehende“, 1905. Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0, Author: Pierre André Leclercq https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Camille_Claudel.-_L%27Implorante..jpg?uselang=de#filelinks