Berühmtheit der Renaissance – Sofonisba Anguissola (um 1532 – 1625)
Wie wurde aus Sofonisba Anguissola, der ältesten Tochter eines humanistisch gebildeten Adeligen aus Cremona, die erfolgreichste und produktivste Porträtmalerin der Renaissance?
Versetzen wir uns für einen Moment in die Lage eines jungen italienischen Mädchens mit einer außergewöhnlichen künstlerischen Begabung. Ihr Handicap: sie lebt im 16. Jahrhundert, was bedeutet, dass ihr von allen Seiten Steine in den Weg gelegt werden, als Frau und als Künstlerin. Eine professionelle künstlerische Ausbildung gibt es nicht für Frauen, die meisten Künstlerinnen studieren in der väterlichen Malwerkstatt; sie dürfen auch nicht Anatomie studieren, können also keine großformatigen religiösen oder mythologischen Gemälde mit vielen Figuren erschaffen (und damit Geld verdienen); nur selten können sie einen Beruf ausüben, denn das gängige Rollenbild sieht sie ausschließlich als Jungfrau, Ehegattin und Mutter. Enge Grenzen also für eine kreative Seele.
Aber Sofonisba hat Glück und sehr fortschrittliche Eltern. Sie und ihre fünf Schwestern erhalten eine humanistische Bildung, wie sie normalerweise den Söhnen aus gutem Hause vorbehalten ist: Literatur, Musik, Philosophie und Zeichnen. Und ihr Vater erkennt früh die große künstlerische Begabung seiner Ältesten. Mit 11 Jahren erhält sie bei dem Porträtmaler Bernardino Campi Zeichenunterricht, aus dem bald eine regelrechte Ausbildung zur Malerin wird. Ihr Wissen gibt sie an die jüngeren Schwestern weiter. Drei von ihnen werden ebenfalls Malerinnen, wenn auch nicht so erfolgreich wie ihre große Schwester.
Auch wenn Sofonisba also engere Grenzen gesetzt sind als ihren männlichen Kollegen, sie ist ausgesprochen erfinderisch, wenn es darum geht, diese Grenzen auszuweiten. Als Frau bleibt ihr nur die Porträtmalerei und so nutzt sie jede Chance, vor allem mit ihren Selbstbildnissen, sich und ihre Fähigkeiten zu präsentieren. Ganz selbstbewusst, zeigt sie sich als Malerin bei der Arbeit, als gebildete Frau beim Musizieren oder porträtiert ihren Lehrer, der an einem Porträt von ihr selbst arbeitet. So gelingt es ihr, ganz neue Bildideen und Motive in die Porträtmalerei einzuführen.
Mit ihrem bekanntesten Werk „Drei Schwestern beim Schachspiel“ erschafft sie ein unkonventionelles Gruppenporträt, das zugleich eine Szene aus dem Familienleben zeigt. Sofonisba malt dabei ihre Schwestern nicht als kleine Erwachsene, wie es bislang meist üblich war. Sie hat die besondere Begabung, die Gefühle und Mimik der Dargestellten wiederzugeben, so dass man tatsächlich meint „sie hätten Atem und Leben“, so der Kunsthistoriker und Zeitgenosse Giorgio Vasari. Ihre Darstellung der schelmisch lachenden kleinen Schwester, ist einmalig in der Malerei ihrer Epoche. Michelangelo, der sie später in ihrer künstlerischen Entwicklung fördert, bittet sie daraufhin, einen weinenden Knaben zu zeichnen. Das Ergebnis ist „Der weinende kleine Bruder, der von einem Krebs gezwickt wird“.
Ihr Vater Amilcare Anguissola wird schon früh ein begeisterter Unterstützer ihrer Kunst und ihr Manager. Er knüpft wichtige Kontakte zu potentiellen Auftraggebern, aber auch zu den großen Künstlern jener Zeit, schickt ihre Selbstporträts als „Werbegeschenke“ an die italienischen Höfe und unterstützt sie in ihrer Entwicklung und Karriere.
1559 ruft König Philipp II. die bereits erfolgreiche Künstlerin als Hofmalerin und Zeichenlehrerin an den spanischen Hof. Ihr Lohn: eine lebenslange großzügige Rente und eine standesgemäße Vermählung. Bis 1573 bleibt Sofonisba am spanischen Hof; nach dem frühen Tod der jungen Königin Elisabeth von Valois, der sie sehr verbunden war, bittet sie um ihren Abschied. Es ist dieses Porträt der Elisabeth von Valois, das so ausgezeichnet ist, dass es zum meistkopierten Porträt Spaniens wird, von vielen großen Künstlern ihrer Zeit kopiert, u.a. von Peter Paul Rubens.
1620 malt die betagte Künstlerin ihr letztes Selbstporträt. Sie stirbt 1625 mit 93 Jahren in Palermo.
Die Künstlerin als Vorbild
Ihr Stil und ihre innovativen Ideen machten Sofonisba Anguissola zu einer außergewöhnlichen Künstlerin und einem inspirierenden Vorbild. Und ihr großer Erfolg motivierte viele junge Künstlerinnen, sich voll und ganz ihrer Kunst zu widmen und damit auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Berühmte Beispiele sind u.a. Lavinia Fontana und Artemisia Gentileschi.
Die Werke Sofonisba Anguissolas sind unter anderem in bedeutenden Museen in Bergamo, Madrid, Neapel, Siena und in den Uffizien in Florenz zu sehen.
Autorin: Andrea Brendel, Januar 2024
Quellen:
Elke Linda Buchholz: Die grössten Künstlerinnen von der Renaissance bis zur Gegenwart. area Verlag, Erftstadt. 2007. ISBN 978-3-8361-1030-3
https://de.wikipedia.org/wiki/Sofonisba_Anguissola
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/sofonisba-anguissola/
https://www.daskreativeuniversum.de/sofonisba-anguissola-biografie/
https://artinwords.de/sofonisba-anguissola/
Bilder:
Sofonisba Anguissola: Selbstporträt, 1556–1557. Author: – Selected work 4 from Anthony Bond, Joanna Woodall (2005). Self Portrait: Renaissance to Contemporary. ISBN 978-1855143579, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11870777
Sofonisba Anguissola: Königin Elisabeth von Valois, um 1563. gemeinfrei. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sofonisba_Anguissola_Elisabetta_di_Valois.jpg
Sofonisba Anguissola – Asdrubale Bitten by a Crawfish. gemeinfrei. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sofonisba_Anguissola_-_Asdrubale_Bitten_by_a_Crawfish_-_WGA00698.jpg
Sofonisba Anguissola: Bernardino Campi beim Malen von Sofonisba Anguissola, um 1559 – Web Gallery of Art: Gemeinfrei. https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15451259
Sofonisba Anguissola: Drei Schwestern beim Schachspiel, um 1555. Poster.us.com, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22040095